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Dauer 07.09.2013 – 19.10.2013
Teilnehmende KünstlerInnen Athanasios Argianas, Elena Bajo, Martin Bothe, Amy Brener, Luis Camnitzer, Angela de la Cruz, Elisabeth Decker, Jochen Dehn, Jimmie Durham, Simryn Gill, Benjamin Greber, Michael Hakimi, Romuald Hazoumé, Benjamin Hirte, Sonia Kacem, Vlado Martek, Michael Müller, Giuseppe Penone, Rudolf Polanszky, Robert Pratt, Valentin Ruhry, Gabriel Sierra, Pascal Tassini, Geerten Verheus, Klaus Weber
Historisch gesehen besteht ein Konflikt in der Kunst zwischen Material, Form und Inhalt. Antike Philosophen erklärten bereits, die materielle Substanz eines Objektes müsse von der Form gebändigt und der Idee transzendiert werden, um als Kunstwerk zu gelingen.
Im 15. und 16. Jahrhundert wird dann die „Idea“ zur zentralen kunsttheoretischen Kategorie – nicht selten verschweigt man das Material zugunsten der Dichotomie von Form und Inhalt. Im 19. Jahrhundert kommt zunehmend eine Haltung auf, die später zum Konzept der „Materialgerechtigkeit“ verdichtet wird. Das Kunstwerk soll gleichsam aus dem Material heraus entwickelt werden.
All diese Ansätze finden sich auch im Kunstschaffen des 20. Jahrhunderts wieder. In den Anfängen der Konzeptkunst beispielsweise dient das Material nur noch der Vermittlung der Idee. Zur selben Zeit sucht eine Gruppe italienischer Künstler, zusammengefasst unter dem Label der Arte Povera, nach einem neuen Umgang mit dem Material. Durch ihre Verwendung und Gegenüberstellung von edlen und simplen Materialien versuchen sie, die Kunst wieder stärker im alltäglichen Leben zu positionieren. Sie bekennen sich ausdrücklich gegen eine rein konzeptuelle Kunst, die lediglich von einer Elite rezipiert wird.
Nachdem sich das Spektrum der Materialverwendung und der stilistische Einsatz von Mitteln seit der Arte Povera radikal erweitert hat, fragen wir, wie Künstler heute mit dem Thema umgehen. Die gezeigten Werke entstanden sicherlich aus unterschiedlichen konzeptuellen Schwerpunkten, teilen aber die intensive Auseinandersetzung mit dem Material. Zwei Grundgedanken durchziehen die Werkauswahl: Die Einfachheit der verwendeten Materialien und/oder die Einfachheit der Geste.
Luis Camnitzer zum Beispiel platziert Flaschen in einem Holzregal. Diese sind mit den klassischen „Zutaten“ eines Landschaftsgemäldes gefüllt. Die Einfachheit der verwendeten Materialien – Wattebällchen als Wolken, blaues Pigment als Himmel – sollte nicht als ärmlich oder unraffiniert verstanden werden. Stattdessen ist bemerkenswert, wie sich die Materialien zu einem kunsthistorischen Topos zusammenfügen, ohne die tatsächliche Erfahrung eines Blickes zum Horizont nachzuahmen.
Eine weitere spannende Materialverwendung finden wir bei Untitled (The Bottles of Misery) von Martin Bothe. Obwohl die einzelnen Objekte kaum ihren Pfand wert sind, wurden die Flaschen liebevoll und mit viel Detailgenauigkeit wieder zusammengeklebt. Ihr Zweck und ihre Ausführung wurden jedoch vollends verfremdet. Sie können in einer ausschließlich materialbezogenen Weise betrachtet werden: toxische Materie, die durch Verfremdung nicht mehr wiederverwertbar ist.
Zwar sind dies nur zwei Beispiele von fünfundzwanzig gezeigten Positionen. Jedoch befassen sich die meisten gezeigten Künstler mit einer Dekonstruktion dessen, was wir vom Material erwarten – sei es in der Wahl der verwendeten Stoffe oder der Art und Weise, wie diese kombiniert wurden.
Es ist nicht der Anspruch von Material Conceptualism, den Debatten um Idee, Form und Material ein Ende zu setzen. Auch ist es nicht Ziel der Ausstellung, einen übergreifenden Begriff für eine Bewegung oder eine Gruppe von Künstlern zu prägen. Vielmehr führt sie zwei gegensätzliche Gedanken zusammen: Einerseits erscheinen die Konzepte hier als subtile, kaum greifbare Ideen, andererseits steht die Materialität der Arbeiten im Zentrum.
Der Untertitel der Ausstellung, The Comfort of Things, beruft sich auf die vielseitigen Zwecke, die die Dinge in unserem Leben erfüllen. Ein Kunstobjekt zum Beispiel mag uns Trost spenden und als Statusobjekt dienen, es mag wertvoll sein obwohl es aus simplen Materialen gefertigt wurde. Dass viele Künstler mit uns allen umgebenden Materialien arbeiten, weist auf die stetige Erweiterung der Möglichkeiten ästhetischer Erfahrungen hin.
Was bedeutet es, wenn Künstler die Materialität ihrer Arbeitsstoffe zum Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Überlegungen machen? Material Conceptualism – The Comfort of Things zeigt anhand von fünfundzwanzig Positionen eine subjektive Sicht, wie die Ergebnisse einer Neuverhandlung über die Gesetzmäßigkeiten einzelner und kombinierter „einfacher“ Materialien aussehen könnten.
Hiermit zeigt Aanant & Zoo, nach From The Age of the Poets im vergangenen Herbst, zum zweiten Mal eine kuratierte Ausstellung, die sich einem speziellem Thema widmet und für eine Reihe steht, die in jährlichem Rhythmus wiederkehrt. Ziel hierbei ist es, sich einer bestimmten philosophischen und kunsthistorischen Thematik zu widmen.